Die windlosen Tage sind vorbei 😉 Die letzen zwei Wochen hatte ich keinen Wind außer eine halbe Stunde in Trabucador. Die Verbindung aus Radfahren und Kiten funktioniert hier in La Manga del Mar Menor sehr gut. Das kleine Meer La Mangas ist ein gut 20km langer Salzsee, der nur durch eine schmale Landzunge vom Meer abgetrennt ist. Das Gewässer ist das größte salzhaltige Binnengewässer Europas, das sich perfekt zum Kitesurfen eignet. Die dem See zugesprochenen therapeutischen Wirkungen durch den hohen Salzanteil kann der Körper nach fast 3000km gut gebrauchen. Die ebene Umgebung macht es zudem einfach die Spots je nach Windrichtung zu wechseln. Im nördlichen Los Alcazares mache ich zu erst Halt. Am Abend treffe ich in den Straßen der kleinen Stadt Magi und Theresa wieder, die ich bereits in Sant Pere Pescador, nördlich von Barcelona, kennen gelernt habe. Die Überraschung ist sehr groß und wir können es den ganzen Abend kaum glauben uns wieder gefunden zu haben. Zusammen erkunden wir einige Kitespots um den Salzsee.
Da ich kein Telefon dabei habe ist die Kommunikation schwierig. Doch wir (Theresa, Magi und Ich) verabreden uns einfach Mittags am Strand. Das klappt auch wunderbar. Wir essen unter einem großen schattenspendenen Baum, spielen mit ihren Hunden und haben eine schöne Siesta. Danach wird alles angerichtet was zum Kiten benötigt wird. Am nächsten Tag sind wir bei der „Isla de Ciervo“, die in dem Gewässer liegt und in der angrenzenden Bar wird die Zeit bis zum Wind mit einem Kaffee versüßt. Traumhafte Bedingungen mit konstantem Wind, Flachwasser und wenig Leute auf dem Wasser lassen den besten Kitetag der Reise entstehen.
Am 4. Tag in La Manga sitze ich am Strand und warte auf den Wind. Die Windprognosen sind hier nicht sehr zuverlässig. Nach einer Stunde auf dem Wasser hat der Wind keine Lust mehr. Ich fahre in ein Cafe und sehe nach den Windprognosen im Internet. Daraufhin entscheide ich weiter zu ziehen. Auf dem Weg hinaus aus der Landzunge geht es eine kleine Anhöhe hoch und nach einer halben Stunde Fahrt als ich gerade den Blinker links nach Cartagena setzen möchte, nimmt der Wind stark zu: Ist das jetzt nur ein lauhes Lüftchen oder mehr? Soll ich hinunter nach Los Nietos fahren, dort wo mir vor vier Tagen eine Speiche gerissen ist? Ich sehe einen Kite und die Frage ist beantwortet. Das Equipment ist schnell aufgebaut und ich treffe altbekannte Gesichter wieder. Wir sind nur zu dritt am Spot. Die Wolken am Himmel verdichten und verschieben sich immer mehr. Starker Wind und Wellen färben das „kleine Meer“ die ersten 300m bräunlich und danach dunkelblau. Wenn es die Sonne einen kurzen Augenblick durch das weiße Dickicht schafft, ist es, als wenn jemand den Vorhang aufzieht und die ganze Szenerie freundlicher erscheinen lässt. Es ist herrlich! Nach 2 Stunden nimmt der Wind immer mehr zu und die Kräfte lassen nach. Es ist Zeit vom Wasser zu gehen, denn der Tag ist auch bald vorbei. In Los Nietos, das fast menschenleer ist kommt einem die Nacht mit dem starken Wind und vereinzelten Straßenbeleuchtungen noch einsamer vor.
Die Landstraße nach Cartagena zieht sich durch ein Tal und ist angenehm zu fahren. In der Stadt treffe ich auf ein Eckcafe, dessen Anblick mich sofort zum Besuch einlädt. Cafe con Leche und eine Torjea (fritiertes, süßes Gebäck) versüßen den kurzen Aufenthalt. Es ist ein schnelles Kommen und Gehen in der Lokalität. Nicht viel weiter erwartet mich mein nächster Platten, den ich nie wieder flicken werde (dazu später mehr). Danach wird es steigungsreich und die Landschaft wird kurz nach Cartagena bis nach Motril mit Plastikgewächshäusern bebaut sein, die für die europäischen Supermärkte Früchte, Gemüse und Gartenpflanzen herstellen. Die Masse an Gewächshäusern und das verwendete Plastik ist immens. Am Nachmittag kommt etwas Wind auf, sodass ich den nassen Kite vom Vortrag trocken fliegen kann.
Die Ausläufer der Sierra Nevada bis an die Küste werden zahlreicher. Die Steigungen nehmen mich ziemlich mit, sodass ich mir am Ausgang des Ortes Augilas ein Päuschen gönne. Vom Cafe aus sehe ich durch das Fenster das Fahrrad. Allerdings nur das, was oberhalb des Lenkers ist. Ich denke, das reicht aus, da ich bisher überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Nach einer Weile macht mich eine ältere Dame darauf aufmerksam, dass ein Bursche aus meinen Taschen etwas genommen hat. Werkzeug, Reservematerial fürs Fahrrad und Waschutensilien sind weg – verdammt! Ich fahre in die Richtung, in die der Bursche gelaufen sein soll – aber nichts! Ich kehre nochmals zum Cafe zurück und befrage die auf der Straße spielenden Kinder. Der Gedanke daran wie lange es dauern wird, die gestohlenen Sachen in der nächsten Stadt zu organisieren und ohne Werkzeug weiter zu fahren lassen neue Motivation entstehen. Ich rolle eine bereits gefahrene Straße entlang und hinter einem Auto sehe ich wie ein älterer Mann Schrauben vom Boden aufsammelt. Bingo, das sind meine. Der Mann sagt, er habe die Sachen hier entdeckt und ich finde 2/3 des Diebesgutes. Der Mann gibt mir noch mit auf den Weg, dass sein Autospiegel verdreht ist. Vielleicht zeigt dieser in Laufrichtung des Diebes?. Ich fahre in Richtung Strand. Ein Spanier der dort sein Auto repariert, hat den Burschen gesehen. Nach weiteren fünf Minuten finde ich den vermutlich unter Drogen Stehenden mit meinem Werkzeugbeutel an einer Fassade sitzen. Er gibt mir ohne Gegenwehr die restlichen Dinge. Ich bin froh die Sachen wieder gefunden zu haben. Später merke ich, dass der kaputte Schlauch und die Ersatzkette fehlen. Die Kosten der Aufpass-Lektion, die mir der Bursche gegeben hat sind somit überschaubar. Am heutigen Tag schaffe ich es noch bis Mojacar und befinde mich somit in Andalusien. Bei der Schlafplatzsuche treffe ich Eduardo, der gerade mit seinem Hund spazieren geht. Er kitet auch und bietet mir an bei Ihm zu nächtigen.
Der Nationalpark Cabo de Gata wartet auf mich. D.h. für heute: purer Gegenwind, Speichenbruch und Fahrrad schieben. Die halbwüstenartige Vegetation mit ihrer zerklüfteten, bergigen Küste gepaart mit heftigen Gegenwind verlangt mir alles ab. Am Abend komme ich an der Küste Cabo de Gatas zu Almeria an, was ich lange nicht für möglich hielt. An den Steigungen bergauf war ich schneller unterwegs als auf der Ebenen, da mir der Berg Windschatten gab. Um Erfolgserlebnisse im „Vorwärtskommen“ zu haben, fuhr ich einen Kilometer und machte dann jeweils Pause. In dem verlassenen aber berühmten Städtchen Los Albaricoques, in dem viele Western-Filme u.a. „Für eine Handvoll Dollar“ mit Clint Eastwood gedreht wurde, holte ich mir im Saloon Wasser. Obwohl mir der Wind entgegenkommt, treibt er mich auch an, da es die nächsten zwei Tage durchgehend Wind haben soll und somit kein Aussitzen möglich ist. Am Abend an der Küste Cabo de Gatas zu Almeria erschöpft angekommen, traue ich mir nicht mehr zu auf das Wasser zu gehen.
In Almeria, das nur unweit von Cabo de Gata entfernt ist, verbringe ich zwei super Kitetage. Hier merke ich auch, dass der Körper bald eine Pause benötigt. Die Steigungen, der Gegenwind, das schwere Gepäck und die Zeit auf dem Wasser zehren an der Substanz. Die Region Almeria lebt stark von der Landwirtschaft. Die durschnittlichen Temperaturen sind in der Region in den vergangenen 25 Jahren um 0,3°C pro Jahrzehnt gesunken, während sie in ganz Spanien um 0,5°C pro Jahrzehnt gestiegen sind. Grund dafür sind offenbar die große Zahl an Treibhäusern deren Dächer das kurzwellige Licht der Sonne teilweise reflektieren, sodass über einem Quadratmeter Treibhausfläche weniger Sonnenenergie ankommt als über einem Quadratmeter Weideland.
Etwas weiter in Salobrena habe ich einen Kontakt über das Netzwerk Warmshowers, Mädi und Din. Die beiden Schweizer heißen mich herzlich Willkommen. Eigentlich habe ich nur vor dort meinen Anhänger unterzustellen und weiter in das in der Sierra Nevada gelegene Granada zu fahren. In Salobrena angekommen merke ich erst, dass das selbstgebaute Haus von dem schweizer Paar in den Bergen auf 500m Höhe liegt. Nach einem Speichenbruch am Fuß des Berges und weiteren eineinhalb Stunden habe ich es dann geschafft und treffe auf eine Idylle der Ruhe. Ein tropischer Garten mit Mango-, Kaki-, Pfirsich-, Avocato-, Birnen-, Kirsch-, Grapfruit-, Oliven- und Feigenbäumen umgibt das Haus. Dazu springen noch Hühner, Hunde, Meerschweinchen und Hasen im Garten herum. Alles ist selbst geplant und gebaut. Ein einziges Kunstwerk mit atemberauender Aussicht. Es ist schon zu spät und wieder weiterzufahren. Über Nacht verwerfe ich die Pläne nach Granada zu fahren und stattdessen hier eine Weile zu rasten. Leider koche ich mir am nächsten Tag etwas Verdorbenes (vermutlich waren es die Kichererbsen) und liege zwei Tage flach im Bett. Die Beiden päppeln mich wieder auf, sodass ich hoffentlich bald wieder fit zum Weiterradeln bin.
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