Im Hafen waren die letzten Tage sehr erholsam und ich fühle mich fit genug für den Sattel. Die Wohlfühlatmosphäre wird durch das angenehme Klima unterstützt. Die 1200km Richtung Süden zeigen ihre Wirkung. Die Temperaturen am Tag sind sehr angenehm (25°C) und auch in der Nacht ist es viel wärmer als in der südspanischen Stadt La Linea und in Gibraltar. Da es sehr wenige Regentage hat und die Insel mit der Wasserversorgung zu kämpfen hat wurde eine Anlage zur Meerwasserentsalzung errichtet. Das Leitungswasser ist somit nicht trinkbar, was einen logistischen Meeraufwand für das Fahrradfahren bedeutet. Schon die ersten Meter auf der nordöstlichsten der sieben kanarischen Insel beeindrucken mich sehr. Neben dem Asphalt der Straße wartet ein „Seramis“artiges Gestein. Außerdem sehe ich Häuser, Mauern und Straßen aus steinigem Material. Es ist so ganz anders. Die Insel hat vulkanischen Ursprung. Vor Millionen von Jahren spuckten Vulkane den heutigen Sockel der Insel in die Luft. Vor ein paar weniger Millionen Jahren waren dann weitere Vulkanausbrüche dafür verantwortlich, dass die Insel über die Meeresoberfläche blickte. Die Insel besteht deshalb fast ausschließlich aus harter rauer Vulkanmasse. Nichts desto trotz bot Lanzarote den Menschen Flächen für die Landwirtschaft. Viele davon wurden im 18. Jahrhundert durch über 30 mit Lavamasse spuckenden Vulkanen zugedeckt, sodass viele auf die benachbarte Insel Gran Canaria übersiedelten.
Die Straßen sind glatt und ich treffe auf viele Rennradfahrer. Ebenso erscheint die Insel ein Eldorado für Mountainbike-Fans zu sein, da die vielen Wege abseits der Straße dazu einladen. In einem kleinen Dorf treffe ich auf Eduardo, der gerade in seinem Kaktusgarten tätig ist. Er erklärt mir, wofür die Pflanze verwendet wird – für Marmelade, Medizin, Lippenstift und Campari. Er arbeitet seit über 50 Jahren mit der Pflanze. Die arbeitsintensive Pflege der Kakteen kostet viel Zeit. Doch es ist der einzige Gelderwerb für ihn. Eduardo zeigt mit der Hand Richtung Westen – dort sei das Weinbaugebiet Lanzarotes, der Hauptagrarzweig der Insel. Doch ich fahre weiter Richtung Norden nach Orzola. Die Landschaft wird rauer und rauer. Direkt neben der Straße zieht sich das spitzkantige Lavagestein bis zur Küstenlinie und am Horizont wartet ein Bergmassiv.
Es ist nun eine Woche her seitdem ich die Insel betreten habe. Doch wenn ich morgens im Zelt aufwache, fühlt es sich immer noch so an, als ob dieses schwimmt und nicht fest mit den Heringen im Boden verankert ist. Doch es wird jeden Tag ein bißchen besser werden. Jedoch merke ich erst jetzt wie sehr die Zeit auf dem Boot meinem Körper zugesetzt hat. Die beeindruckende Natur und einsamen Schlafmöglichkeiten sind grandios. Leider trifft man nur wenig Fahrradreisende oder andere Traveler. Die Touristen in Lanzarote sind ein wenig kontaktscheu oder vielleicht bin ich es dessen Kontaktoberfläche abgenommen hat? Auf der sehr sauberen und gepflegten Insel verkehren viele Busse, die die Touristen zu den Sehenswürdigkeiten karren. Ein Fahrradtourist mit Anhänger passt da dann vielleicht weniger ins Bild…
Wer Lanzarote bereist kommt automatisch mit dem Namen Cesar Manrique in Kontakt. Der bereits verstorbene Maler, Architekt und Bildhauer hat die Insel stark geprägt. Die politische Agenda, die er mitgestaltet hat, sah vor, dass kein Haus höher als 3 Stockwerke gebaut werden darf und weiß gestrichen sein soll. In den Touristenhochburgen Costa Teguise und Playa Blanca wurde das infolge des Massentourismus etwas aufgeweicht. Des Weiteren trifft man auf der ganzen Insel auf Skulpturen des Künstlers. Außerdem ist es auffallend, dass sehr wenig öffentliche Werbung zu sehen ist. Keine Reklame für Sonderangebote in Supermärkten, Finanzierungen des Eigenheims oder andere Offerten.
Für das Kiten gibt es nur wenige Sandstrände. Etwa ein Zehntel der Küstenlinie ist sandig. Dazu gehört der Sandstrand in Famara, der hinter sich ein auf über 500m aufsteigendes Massiv beherbergt. Auf dem Weg dorthin überholt mich ein VW-Bus, den ich am Strand in Famara wieder treffe. Es steigt Steve aus dem Bus aus, der vor Jahren aus Italien nach Lanzarote übersiedelte. Leider, so sagt er, werde auch in den nächsten Tage der Wind aus der falschen Richtung kommen. Sodass der Spot für das Kitesurfen nicht geeignet ist. Leider taugt er nur dafür schwer voranzukommen.
Die Straßenkarte der Vulkaninsel zerfällt fast schon in meiner Hand. Es ist Zeit die Insel Richtung Fuerteventura zu verlassen. Im Hafen von Playa Blanca im Süden der Inseln verkehren Fähren dorthin. Die Geometrie und Lage Fuertevenutras verheißen im Norden sehr gut Surf- und Kitebedingungen. Im Hafen treffe ich auf Guillmeau, der mit seinem Hund Roana unterwegs ist. Sein Weg führte ihn von Frankreich über Nordspanien durch Portugal und dann mit der Fähre nach Lanzarote. Er möchte weiter nach Tenerife radeln. Die ersten zwei Tage in Fuerteventura verbringen wir gemeinsam im Dorf Corralejo, dort wo uns die Fähre abgesetzt hat. Einen Hund an seiner Seite zu haben ist sehr praktisch, vorallem als Wächter vor den Zelten in der Nacht. Der Abschied naht. Die beiden ziehen weiter Richtung Süden. Ich habe dagegen beschlossen länger hier zu bleiben, das Dorf kennenzulernen und nach 3 Wochen erstmals wieder zu kiten. Die Weihnachtszeit machts sich hier lediglich durch die Musik in den Supermärkten und die Beleuchtung der Straßen in der Nacht bemerkbar. An dieser Stelle wünsche ich Frohe Weihnachten.
Hier gehts zur Bildergalerie: https://windtramp.org/2015/12/20/kanaren-bilder-um-die-raue-vulkaninsel-lanzarote/