Als ich aufwache ist das Geräusch unverändert – es prasselt der Regen auf das Zelt. Es ist nass und die erste Schnecke grüßt mich aus dem Campinggeschirr, das vom gestrigen Abend noch vor dem Zelt steht. Außerhalb der Stadt Breisach, an der französischen Grenze zwischen Rhein und Schwarzwald, habe ich völlig durchnässt am Vorabend das Zelt aufgeschlagen.


Die Abfahrt von meinem Heimatdorf Leuzdorf ist nun genau eine Woche her. Die ersten Meter waren sehr seltsam, da man eine Strecke fährt, die man von so vielen Situationen aus der Jugend kennt. Jetzt aber ist es eine Abschiedsfahrt durch das Schwabachtal. Der Weg sollte auf den nicht weit entfernten Paneuropa Radweg (Prag – Paris) führen, den ich eine Weile Richtung Westen befahren werde. Auf diesem Fernradweg liegt der Wohnort meiner Taufpaten, die ich nochmal besuchen wollte. Bei einer herzhaften Mittagsmahlzeit (vielen Dank nochmal) wurden letzte Routengespräche geführt. Nach dem zweitem Abschied an diesem Tag stellt sich ein Dauernieseln ein. Im Klang der Regentropfen auf der Jacke trete ich in die Pedale. Dem Fluß, Bibert, entlang stellen sich einige Fragen: Wird dieses Projekt mit dem schweren Anhänger klappen? – Wen werde ich alles treffen? – …
Nach nur 30 Minuten habe ich schon wieder Hunger. Regen und Wind gepaart mit durch-schwitzten Klamotten unter der Regenjacke dürsten nach Energie. Und so lerne ich bereits am ersten Tag wie sehr Essen die Psyche bestimmt. Nach dem Snack geht es motiviert weiter. Eine sehr seltsame Begegnung sollte noch kommen. In der Pampa der Frankenhöhe zwischen zwei kleinen Dörfern treffe ich im Regen auf eine, am Straßenrad sitzende, Obdachlose. Sie rät mir, mich von dem ganzen Ballast zu trennen, samt Zelt und Anhänger. Ich denke nur, von meinem Zelt würde ich mich niemals trennen, aber vielleicht hat Sie recht und der Anhänger wird zu viel sein…

Zumindest brauche ich in dieser Nacht kein Zelt, denn ich finde eine Fischerhütte am Nonnenweiher in Windelsbach, die mir und einem Igel für diese Nacht Schutz gewährt.

Das Dauernieseln hat in der Nacht aufgehört. Am Morgen benötige ich ein halbe Ewigkeit um alle Sachen wieder dorthin zu packen, wo sie hingehören. Auf der Fahrt mit dem doch sehr auffälligen Gespann mit Fahrrad und Anhänger spürt man das Mitgefühl der Menschen in Form eines Grußes oder Blickes. In das Taubertal rasend steht Rothenburg mit seinen Stadtmauern bevor. Am höchsten Punkt des Galgenturms erinnert die Blutgerichtsbarkeit an mittelalterliche Zeiten. Die sehr gut erhaltene Burganlage mit seinen tradtionellen Bauten ist eine „Touristenhochburg“. Der überdimensionale Burggraben im Taubertal machte die Hinausfahrt sehr schwer. Gut 20km weiter am Fuß des Schlosses Langenburg wurde das Zelt an der Lein aufgeschlagen.

Weiter Richtung Heilbronn ging es über Öhringen. Informationstafeln klärten mich dort über die schweißtreibenden letzten Tage auf: „Das Landschaftsbild überrascht mit Höhenunterschieden von beachtlichen Ausmaß (175 – 565 m über Meereshöhe).“ Jetzt weiß ich wenigsten wo die Hohenloher Ebene liegt! Zwischen Nürnberg, Würzburg und Heilbronn.
Der Weinregion folgend erlaubt der Radweg, fernab der Straße, durch die Wohngegenden einen interessanten Einblick in das Leben der Menschen- beim Unterhalten mit den Nachbarn, Reparieren, Sitzen, Kehren, Spazieren gehen, Rasen mähen. Die Kondition wächst im Vergleich zu den ersten Tagen spürbar und jeder bewältigter Anstieg verschafft einem Selbstvertrauen für die Umsetzung des Projekts. Nach 276km erreiche ich das Haus meiner Freunde Ellen und Markus mit Ihrem Nachwuchs Lasse im Pfinztal. Der Kontakt besteht schon seit längerer Zeit, da wir gemeinsam in Afrika gereist sind. Diese Zeit liegt jedoch schon 5 Jahre zurück. Und so kam es, dass ich beim Lesen Ihrer Adresse des Pfinztals eine lässige Bergabfahrt im Kopf abspeicherte. Wo ein Tal ist, da befindet sich allerdings auch ein Berg. Ellen und Markus sollten an dessen höchster Stelle wohnen! Beim herzliche Zusammensein wurden viele Neuigkeiten ausgetauscht, alte Geschichten erzählt und eine große Abendmahlzeit bescherte neue Kräfte für die Tage. Es war ein schönes Wiedersehen. Hoffentlich dauert es nicht wieder 5 Jahre!

Einige Kilometern nach der Abfahrt merke ich die Anstrengung der letzten Tage. Ich fahre durch Karlsruhe. Nach gut 50km treffe ich auf den Rhein, der die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich in Baden-Württemberg zeichnet. Zufällig komme ich zu einer jährlichen Zusammenkunft Ansässiger aus Steinmauern am Goldkanal. Sehr gastfreundlich werde ich hier eingeladen. Am Lagerfeuer wird auf die Reise angestoßen, im Rhein gebadet und ein schöner Abend erlebt.

Rechts der Rhein, links der Schwarzwald und geradeaus ist es eben. So soll es sein. Das Vorankommen ist angenehm und das Wetter top. In der kleinen Ortschaft Rheinbischofsheim läuft Bundesliga. Es ist Samstag. Ich treffe den Hotelbesitzer und Mo, der auf dem Weg zur „chill and ride“ – Veranstaltung unterwegs ist. Ein Wassersport-Festival bei dem Wakeboarder von Motorbooten durch den Rhein gezogen werden. Viele Leute, gute Stimmung und ein spektaktulärer Sport warten dort auf uns. Einige Wakeboarder zeigen ihre Tricks auf dem Gewässer. Mir ist es allerdings nicht nach bleiben – der chill war genug und eine schöne Abwechslung. Der Konvoi zieht weiter. In Kork wartet am Abend ein schöner Baggersee als Bade- und Waschmöglichkeit – was gibt es Schöneres 🙂
Jetzt sitze ich immer noch hier, vor der französischen Grenze in Breisach. Die Regenwolken ziehen vorbei, die Nacktschneckenspur im Campinggeschirr ist bereits angetrocknet und Frankreich liegt vor mir.
Hier gehts zur Bildergalerie: Deutschland – Nacktschneckengefahr https://windtramp.org/2015/08/24/deutschland-nacktschneckengefahr/