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Frankreich und Spanien – vom Golf von Lion bis zur Costa Brava

Der Wind der letzten Tag hat nachgelassen. Das Kite-Material ist getrocknet und gepackt. Ich sitze wieder im Sattel und es ist ein gutes Gefühl weiter zu ziehen um vorwärts zu kommen. Die zahlreichen Moskitoschwärme der Camargue lasse ich gerne hinter mir. Von nun an sollte der Weg in Frankreich immer entlang der Küste des Golfs von Lion gehen.

P1000764Allerdings erscheint die Navigation nach der Carmargue um Adge nach Westen als schwierig. Fahrradfahrer müssen auf der großen Nationalstraße, die die geeignete Richtung hätte, leider „draußen bleiben“. Alle anderen führen eher nach Norden und Süden zum Strand als nach Westen. Wie schön war es doch nur auf dem Fahrradweg entlang der Rhone und Rhein! Zufällig trefe ich nach einer Weile auf einen Weg entlang eines Kanals und zufällig befindet sich an dem Kanal eine Bar dessen Barkeeper einen perfekten Weg durch dieses Wirrwarr kennt. Die Gegend um Adge ist sehr touristisch – Adventureparks, Badelandschaften, Paintball, Kartbahnen. Die Urlaubszeit ist vorbei und die Gäste sind abgereist.Die Strände sind fast leer. Es erscheint so als – stell Dir vor es ist Urlaub und keiner geht hin.

IMG_7807Etwas weiter in westlicher Richtung ragen die Salzberge meterhoch in den blauen Himmel. Entlang der Küste trifft man auf zahlreiche Salzbecken (Salins), die zur Herstellung des weißen Goldes genutzt werden Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem leitet das Meerwasser in die Becken. Der Wind und die Sonne lassen das Wasser verdunsten, sodass nur noch die Salzkristalle übrig bleiben, die zur richtigen Zeit geerntet werden müssen. Köstliche Obststände an der Straße laden zur Pause ein. Die sehr hilfsbereiten Franzosen verköstigen mich zudem auf den letzten Tagen in ihrem Land mit Äpfeln, Tourentips und begleiten mich ein Stück auf dem Weg. Man spricht zwar nicht die gleiche Sprache – der Eine redet franzözisch der Andere etwas spanisch und englisch und der Rest wird mit dem Fuß in den Sand geritzt – aber irgendwie verständigt man sich dann doch. Abends am Strand trefe ich Pasqual, der sich jährlich mit dem Fahrrad nach Andalusien begibt. Auf den kalten belgischen Winter hat er keine Lust. So schnitzt er an seinen hölzernen Figuren im Winter nicht in Belgien sondern im warmen Südspanien, das er ins Herz geschlossen hat und auf das er mir viel Vorfreude macht.

IMG_7834Am nächsten Morgen bauen sich mit jeder Radumdrehung am Horizont die Vorboten der Pyränen auf, denen ich mit Respekt entgegenkomme. Ich bin früh am Morgen in der Hafenstadt Gruissan, die sich noch im Schlaf befindet. Fischer kommen gerade von ihrer Fahrt aufs Meer in den Hafen und bringen den Fang an Land. Nach der Mittagsmahlzeit treffe ich unverhofft auf einen großen Sandstrand. Es steht ein Kite am Himmel. Geschwind werden die Kitesachen ausgepackt und sich auf das Brett geschwungen. Auch die folgenden Tage stehen im Zeichen des Windes. Mit heftigen Südwind bauen sich in Leucate bis zu 3m hohe Wellenberge auf. Der seltene Südwind lockt nicht nur einige Franzosen auf das Wasser, sondern zieht auch ein starkes Unwetter in der Nacht nach sich. Ein leerstehendes Restaurant direkt am Kitespot in Leucate bietet mir in dieser Nacht schützend seine Dächer als Unterkunft an.

Die Sonne scheint auf das blaue Meer. Die Wolken stehen tief zum greifen nah. Die Fahrbahn schlängelt sich an der Küste der Costa Brava an den Ausläufern der Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien entlang. Im monoten Rhythmus dreht sich die Kurbel, angetrieben von den im Laktat badenden Muskeln. Der Schweiß rinnt die Arme herunter, sodass die Hände für einen sicheren Halt noch fester zupacken müssen. Ich fahre zusammen mit dem Italiener Renato, den ich vor einigen Minuten getroffen habe.                   P1000806Ich war lange unentschlossen welcher Weg durch die Pyrenäen wohl der Beste sein wird. 50 Kilometer vor der spanischen Grenze trefe ich auf den nur teilweise ausgebauten Europaraddweg (Eurovelo 8), der einen, wenn er fertig ist an der Mittelmeerküste entlang führt. Am Grenzübergang macht der Europaradweg allerdings eine Wendung ins Innland bevor er nach weiteren ca. 100 Kilometern wieder ans Meer führt. Letztendlich entscheide ich mich an der Küstenstraße entlang zu fahren, die steigungsreicher aber auch ruhiger Route, da diese weit entfernt von der Autobahn in einem abgelegenen Gebiet ist. Hier treffe ich Renato. Erst verfährt er sich, dann navigiere ich falsch und so kommt es, dass wir auf einer Route einen Bergkamm überqueren, der so steil ist, dass ich das Rad kaum mehr schieben kann. Nichts desto trotz ist es lohnenswert hier zu fahren. Zusammen bewältigen wir einen Teil der Pyrenäen. Kurz vor dem Grenzübergang werde ich mit einem wunderbaren Übernachtungsplatz direkt an der Küste beschenkt.

P1000856Spanien? Schnell werde ich aufgeklärt, was ich die letzten Tage schon selbst sehen konnte: Katalonien ist nicht Spanien! In jedem Dorf und in jeder Stadt sieht man die Fahnen, die für die Unabhängigkeit Kataloniens stehen. Neben spanisch wird hier katalonisch gesprochen. Das Gebiet möchte sich von Spanien abspalten und einen eigenen Staat gründen. Die Steigungen der letzten Tage sind spürbar. Ab jetzt wird es flacher, abgesehen von einem kleinen Stück vor Barcelona. In dem kleinen Ort Sant Pere Pescador, direkt an der Küste, wird für drei Tage das Zelt aufgebaut. Zudem sind die Windprognosen für die nächsten zwei Tage sehr gut.

P1000891Über das Internetportal Warmshowers (www.warmshowers.org) finde ich eine Übernachtungsmöglichkeit im Stadtteil Poblenou, eine alternative Gegend in Barcelona. Ich bin zum richtigen Zeitpunkt eingetroffen, denn am Wochenende finden in Barcelona das jährliche Stadtfest (La Mercé) und der Karneval statt. Zudem sind im Stadtteil Poblenou auch noch Straßenfeste, bei denen die Menschen die Nacht zum Tag werden lassen. Durch enge Gassen lassen Bands die Akkorde fliegen, auf großen Plätzen wird das Tanzbein geschwungen und der abendliche Festzug mit Musikgruppen und Teufeln mit Feuerwerkskörper heizen den Massen ein. Bei nächtlichen Temperaturen von über 20°C ist das auch auszuhalten. Neben den Feierlichkeiten wird das Rad „auf Vordermann gebracht“. Wer weiß wie lange die Reise noch dauert? In Poblenou kann im Radladen zusammen mit dem Besitzer noch geschraubt werden. Die Stadt besticht durch eine interessante Architektur (u.a. Gaudi), den angrenzenden Strand, das warme Klima und das Leben auf der Straße. Ich verlasse Barcelona (Poblenou) mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Das Leben hat sich hier wieder etwas normalisiert, da sich auf der Reise mit dem Fahrrad viel um das Organisieren von Essen, Schlafmöglichkeiten, Navigation und die körperliche Anstrengung dreht. Die Menschen, der Stadtteil Poblenou und Barcelona werden mich sicherlich wieder sehen.

Hier gehts zur Bildergalerie: https://windtramp.org/2015/09/21/bilder-frankreich-und-spanien-vom-golf-von-lion-bis-zur-costa-brava/

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