
In Puerto Jimenez, weit im Süden Costa Ricas, bin ich auf der Suche nach einem Platz für das Zelt. Der Feldweg führt am Meer entlang durch ein Anwesen umgeben von dichter Vegetation. Vor einem kleinen Haus sitzt ein junges Paar, das mich freundlich begrüsst. „Die Strasse endet hier“ entgegnen sie mir auf die Frage, ob man weiter zu den entlegenen Stränden radeln könne. In einem längeren Gespräch erzählen mir Rebecca und Rob von ihrem Projekt „germinar“ (keimen), das sie zusammen mit drei anderen Freunden umsetzen. Sie möchten gemeinsam auf dem etwa ein Hektar grossem Grund, das direkt am Meer angrenzt, ihr eigenes Essen in Form von Gemüse und Früchten anbauen, möglichst autark leben, Dinge des täglichen Lebens selbst herstellen sowie Yoga-Kurse geben um ihre Leidenschaft zu teilen und ein Einkommen zu haben. Gerade sind sie dabei eine Plattform und ein Dach für die Yogakurse zu konstruieren, da es in der Regenzeit einen trockenen Platz benötigt. Gemeinsam werkeln wir an der Konstruktion und legen im Garten neue Beete an. Im Gegenzug kann ich bei Ihnen leben. Die Zeit ist sehr harmonisch. Es wird viel gesungen und gekocht und ich bleibe fast eine ganze Woche. Täglich bekommen wir Besuch von Kakadus, Papageien und Affen, die in den Bäumen akrobatisch umherwandern und nach Essen suchen.

Von der Halbinsel Osa geht es mit der Fähre, um nicht wieder zurück durch die Halbinsel zu fahren, nach Golfito. Am anderen Ende der Strasse verwandelt sich der Asphalt, in Richtung Pavones, ein kleines Dorf am Pazifik, in eine Erdpiste. Die Dreckmasse, vereint mit Regenwasser, nagt an der Kette und am Schaltwerk. In Pavones treffe ich Caru wieder, die ich in Guatemala auf einer Vulkantour kennenlernte. Gemeinsam mit ihren brasilianischen Freunden Lu und Jadell zeigen sie mir die schönen Ecken der Küste. Die Strände Pavones werde ich mit Sicherheit in Erinnerung behalten: wenn der wolkenbedeckte Himmel über den zum Meer geneigten Palmen hängt; an den markanten Felsgruppen die Gischt meterhoch spritzt; die Wellen sauber hereinbrechen und etwas Wind die Palmen schaukelt und eine leichter Nebeldampf vom Regen hinaufzieht.

Genug gerastet! Auf nach Panama. Über die Erdpiste geht es zur Grenze und es herrscht wieder Leben am Strassenrand im südlichsten Land Zentralamerikas. Ich wurde am ersten Tag in Panama so viel gegrüsst wie in meiner gesamten Zeit in Costa Rica. Die positiven Eindrücke setzen sich fort. Zum Übernachten werde ich in ein Restaurant von den beiden Panameños Eden und Marcos in Bagala eingeladen. Die Beiden stellen mir ihre kolumbianischen Freunde vor, die mir viele Geschichten über mein, hoffentlich nächstes Reiseland erzählen. Bis weit in die Nacht unterhalten wir uns und ich werde mit panamesischen Bier freigehalten bis der letzte Gast von dannen zieht und ich das Zelt endlich aufstellen kann. Auf diese Gastfreundschaft treffe ich auch in den nächsten Tagen. Ob bei Karsten, einem deutschen Auswanderer in Las Lajas, bei einer evangelischen Mission, die von dem sehr sympatischen, schweizer Paar Erika und Heinz geführt wird oder in El Valle de Anton einem kleinen Ort in einem ehemaligen Vulkankrater bei der Feuerwehr – es finden sich schöne Kontakte und ruhige Nächte im Trockenen.

Das regenschwangere Wolkenmeer bedeckt den Himmel und legt sich auf die grünen Hügel am Horizont ab. Ich koche sonntags an einer der wenig geöffneten Einkaufsmöglichkeiten an der karg besiedelten Strecke in der Provinz Veraguas. Mit grossen Schritten bewege ich mich auf Panama City zu. Bereits 50 Kilometer vor der Haupstadt Panamas fängt die Urbanisierung an. Es wird hügeliger bevor man auf den berühmten Kanal trifft. In den Senken staut sich die Hitze und auf den Kuppeln weht eine kleine Windbrise, die von der entfernten Wetterront und den schwarzen Wolken gespeist wird. Etwas später tränkt ein Gemisch aus Schweiss- und Regenwasser das Hemd und hängt schwer an den Schultern.

Die Wolkenkratzer sind so hoch, dass man Nackenschmerzen vom Hochsehen bekommt. Man sieht den Himmel kaum. Riesige Werbeplakate für Mobiltelefone überdecken die Hochhausfassaden. Auf den Strassen herrscht permanenter dreispuriger Stau. Das Wasser von plötzlichen Regenschauern kanalisiert sich in riesigen Schächten. Man ist nie alleine – Lärm, Abgase, Bewegung. Ich sehne mich in die Natur zurück. In Panama City habe ich noch keine einzige Ameise gesehen. Der Verkehr zur Hauptzeit ist so langsam, dass man zu Fuss schneller unterwegs ist. Warum, um Himmels Willen, lebt man in einer solchen Stadt? Oder bin ich es der Fehl am Platz ist?
An einem Tag von Küste zu Küste. Vom Pazifik zum Atlantik. Die schmalste Stelle auf dem amerikanischen Kontinent. Etwa 70 Kilometer trennen die beiden Ozeane. Auf dem Weg tröpfelt es ruhig von oben vor sich hin. Erst entlang des Panamakanals, dann durch einen Nationalpark und dann auf die Autobahn, von der ich vertrieben werde, indem mich zwei Polizisten stoppen und die Autos anhalten um das Fahrrad über die mittleren Leitplanken zu wuchten und ich mich bis zur Auffahrt zurückschicken. Die Strasse endet im Süden Panamas und da ich einen Flug vermeiden möchte bin ich auf dem Weg in die Hafenstadt Colon. Auf dem Weg durch Panama bekam ich einige Infos, dass von Colon Boote nach Kolumbien ablegen. Nachdem ich die Hafenanlage abklappere, sagt man mir durch einen rostigen Zaun, dass das Schiff, das nach Kolumbien fährt noch nicht angekommen ist. Und wenn es da ist, dauert es eine Woche zum Beladen. Wenn ich mich in Colon umschaue, sehe ich aufgerissene, dreckige und vermüllte Strassen neben heruntergekommenen Gebäuden und Stromkabeln von den Masten fallen. In der Ferne spitzen die Hafenkräne über die Häuser. Wieder ein Ort wo die Strasse endet. Ich bleibe eine Nacht. Die Polizei eskortiert mich zu einem sicheren Zeltplatz. Man spürt, dass in der zum Andenken an Christoph Kolumbus (spanisch: Cristobal Colon) benannten Stadt, ein gewisse Spannung herrscht und die Blicke stark an einem haften.

Nach der glücklosen Bootssuche in Colon spiele ich die nächste Karte, die Portobelo heisst. Ein Naturhafen in einer grossen Bucht, bereits im 16. Jahrhundert vom Kolumbus benannt. Von hier aus gingen die Silberflotten über den Atlanik zur spanischen Krone. Hinter den heruntergekommenen Fortanlagen liegen einige Segelboote im Hafen. Der Plan ist ein Motorboot zu finden, da die Überfahrt damit nach Kolumbien direkter ist als mit dem Segelboot. Und genau, da war die Erfahrung mit der Seekrankheit! Ein alter Kokosnussdampfer liegt am Peer, der allerdings erst in 10 Tagen ablegt. 10 Tage sind in Panama allerdings relativ. Allerdings bekomme ich mit, dass die Ueberfahrt nach Kolumbien entlang der Kueste verlaeuft und durch die San Blas Inseln geht. Die See ist demnach angenehmer. Soll ich es noch einmal wagen aufs Segelboot zu steigen? Um Moeglichkeiten aufzuwerfen erkundige ich mich ebenfalls nach Segelbooten. Allerdings ist Nebensaison und ebenfalls wenig Bewegung im Segelbootverkehr. Geduld ist die Faehigkeit, die im Moment Gold wert ist. Am vierten erfolglosen Bootssuchtag sitze ich am Vormittag beim Baecker. Ein guter Knoterpunkt wie sich schnell heraustellen wird. Ich lerne Marcos kennen, der wiederrum Vitor kennt, der am spaeten Nachmittag ablegt. Die Gelegenheit greift mich am Schopf. Ich kann es kaum fassen, da ich mich schon wieder nach Panama City zurueckfahren sah um nach weiteren Moeglichkeiten zu suchen um nach Kolumbien zu gelangen.

Lautlose Blitze erhellen das Meer in der Nacht fuer Bruchteile von Sekunden. Ich liege flach auf der Pritsche gegen Mitternacht. Das Koerpergefuehl ist gut. Vor der bewohnten Insel Chichime legen wir am naechsten Morgen an. Nach 20 minuetigen Fussmarsch ist die Insel bereits umrundet. Vor 12 Jahren gab es noch 371 Inseln. Jetzt sind es noch 365 – Dank Klimawandel. Auf den San Blas Inseln wohnt die zweit kleinste Volksgruppe der Welt, die Kunas. Das Inselgebiet ist autonom, d.h. Recht und Gesetz wird nicht vn der panamesischen Polizei diktiert, sondern von den Kunas selbst, deren Justizkongress in Panama City sitzt. So erklaert mir das Manuel auf Chichime. Interessant ist ebenfalls, dass die Kunas ihren Wohnstandort im drei monatigen Rhythmus aendern. So werden Huetten auf den Inseln immer von verschiedenen Familien bewirtschaftet. „Der Tourismus hat in den letzten Jahren stark zugenommen“, sagt Manuel, der ein Motorboot besitzt und damit Leute von Insel zu Insel kuchiert. Leider leidet die Region durch die starke Frequentierung unter Ueberfischung und Muell. Hinter den Inselgruppen und den langgezogen Riffen ankern wir in ruhigen, klaren, warmen und blauen Gewaessern. Viele der Inseln sind nicht bewohnt. Die Unterwasserwelt erscheint wie eine Berglandschaft mit fluessigen Blau gefuellt und bunten Wasserpflanzen am Grund. Delfine, Schildkroeten, Rochen, Baracudas, Fische in gelb, gruen, blau, rot, … sie sind gross, klein und wintzig. Ganz tief bis sie in der Dunkelheit des Meeres verschwinden oder ganz nah und knapp unter der Wasseroberflaeche. Ein Einblick in eine andere Welt am Riff. Wir fangen einen gut 25 Kilogramm schweren Thunfisch und kaempfen mit den Kraeften des Tieres. Danach verwehrten wir alles bis auf die Flossen und bereiten eine Thunfischsuppe aus den roten uebriggebliebenen Fleischstuecken vom Rueckrat. Wir naehren uns nach der vierten Nacht auf See der Kueste an, die tiefbewaldet, bergig und undurchdringlich erscheint. Die letzten beiden Stunden bis zur letzten Anlegestelle auf panamesischer Seite zum Ausstempeln werden wir von Delfinen begleitet. Sie schwimmen und springen an der Seite des Bootes, umringen uns und schwimmen vor dem Bug des Segelschiffes. Bei der Einfahrt in den Naturhafen empfaengt uns eine jungfraeuliche Naturaura und ich bin froh wieder festen Boden unter den Fuessen zu vorzufinden.
Bald bin ich in Kolumbien. Es ist nur noch ein Katzensprung mit einem Motorboot und der südliche Part Amerikas liegt vor mir wie ein ausgerollter Teppich mit den Anden, Flüsses, Wäldern, verschiedenen Kulturen, Völkergruppen, Gesängen und Tänzen. Ich freue mich darauf einen kleinen Teil davon sehen zu dürfen, während ich auf dem Weg nach Nordperu zu den längsten Wellen der Welt bin.